Sein Wunsch den Tina Ihm erfüllt hat ...

Mein lieber kleiner Bruder,

Ich würde mir nichts lieber wünschen als dass ich diese Tat bei einem fröhlichen Anlass hätte tun können. Ich hätte Dir dabei so gerne in die Augen geschaut wenn ich über meine Erinnerungen an Dich erzählt hätte.

Leider ist uns das nicht vergönnt!

 

Ich hoffe, dass Du mir jetzt die Kraft gibst um Dir meine Gedanken auch vortragen zu können.

Ich hatte auf einmal so viele Erinnerungen an Dich, dass ich gar nicht wusste welche ich versuchen soll zu Papier zu bringen. Ich habe mich für eine entschieden, die Deine größte Leidenschaft wiederspiegelt.

 

Deine Liebe zu allem was einen Motor hatte und was man polieren konnte hat Dich Dein ganzes Leben lang begleitet, es war das größte für Dich, Dich damit zu beschäftigen.

 

Schon als Du Kind warst, war es das größte für Dich wenn Wochenende war und die Werkstatt zu Deinem Reich erklärt wurde. Eigentlich war es ja Arbeit, aber für Dich war es das tollste! Du hast so viele Autos aufbereitet und das mit einer so großen Hingabe und so großem Ehrgeiz, für mich irgendwie unverständlich.

 

Du hattest mit Deinen mageren zehn Jahren einfach ein Händchen dafür, egal ob Wagenpfleger, Autoverkäufer oder Mechaniker.

 

Irgendwann kam der Tag als Du Auto fahren gelernt hast, natürlich weit vor Deinem achtzehnten Geburtstag.

Ab diesem Tag waren die Wochenenden noch viel schöner für Dich, Du hast stundenlang die Autos auf dem Hof angeordnet. Schon damals hat man gemerkt welches Verlangen nach Perfektion Du in Dir hattest, denn das war Millimeterarbeit.

 

In dieser Zeit war die Welt noch in Ordnung, nichts konnte Dir in dieser Zeit Dein Lachen und Deine Unbeschwertheit nehmen, noch nicht einmal Dein schwerer Unfall hat Dir etwas anhaben können. Wir hatten Dich damals nach Deinem langen Krankenhausaufenthalt endlich wieder zu Hause und damals war ich so froh dass Du wieder da warst, auch wenn wir sofort wieder unsere Streitereien hatten, so wie Bruder und Schwester wohl sind.

 

Aber genauso habe ich in dieser Zeit auch gemerkt, was es heißt, Dich für kurze Zeit verloren zu haben.

 

Damals warst Du trotz der entstandenen Narben ein glückliches Kind, doch wenn ich an die weiteren Jahre denke hast Du Dich irgendwann verändert, Du hast Deine jugendliche Unbefangenheit verloren und wurdest mit jedem Tag auch geheimnisvoller für mich. Du warst unausgeglichen, wurdest verschlossener und hattest Dein Lachen irgendwie verloren. Heute frage ich mich warum das so gekommen ist, leider kannst Du mir keine Antwort mehr darauf geben.

 

Ich weiß, dass Du damals unter großem Druck gestanden hast, dieser kam von außen aber auch viel von Dir selbst. Ich glaube, Du warst in dieser Zeit immer auf der Suche nach dem richtigen Weg, der Dich an Dein Ziel gebracht hätte. Du hattest eine innere Unruhe, diese hat Dich immer angetrieben und hat es Dir unmöglich gemacht an einem Ort zu verweilen. Wenn Du gearbeitet hast, hast Du eine Sache angefangen, konntest Sie aber nicht zu Ende bringen, weil Du schon wieder zum nächsten getrieben wurdest.

 

Ich habe so oft mit unserer Mama in der Küche gesessen und wir haben überlegt wie wir Dir helfen können, leider konnten wir nur da sein und Hilfe anbieten.

 

Als ich in Rödelheim gewohnt habe, habe ich mir so sehr gewünscht das Du mich mal besuchst, leider warst Du in dieser Zeit nur einmal bei mir und das auch wie immer im Stress. Damals war ich enttäuscht, heute weiß ich, dass Du es gerne gemacht hättest, aber die fehlende Zeit und Ruhe das Problem war.

 

Du kannst Dir gar nicht vorstellen wie sehr ich mich gefreut habe, dass Du mich in meiner neuen Wohnung mit Jenny besucht hast und sogar bis tief in die Nacht geblieben bist.

 

An diesem Tag habe ich zum ersten Mal erkannt, dass Du Deinen Weg gefunden hast. Du hast mit mir über Dein Motorrad gesprochen, es war Dein Traum diese Ninja zu besitzen und weil ich das gesehen habe wie glücklich es Dich machen würde, habe ich trotz meiner Angst gewusst, dass ich es Dir ermöglichen muss und diese Bürgschaft unterschrieben.

 

An dem Tag, dem schwärzesten Tag meines Lebens habe ich mir so große Vorwürfe gemacht und hatte so viel Angst davor, dass unsere Eltern mich dafür verantwortlich machen, ich habe es auf jeden Fall getan!

 

Ich habe mich gehasst, doch heute bin ich froh darüber, dass ich es getan habe, denn ich habe mich an Dein glückliches Gesicht erinnert, es war so voller Stolz, das war einfach so schön anzusehen.

 

Doch ich glaube, dass war nur der zweitgrößte Schatz für Dich, der größte war Deine Jenny. Sie hat Dir Deine innere Ruhe zurückgegeben nach der Du solange vergeblich gesucht hast. Du warst am Ziel, konntest Dich wieder öffnen und warst einfach wieder ausgeglichen und glücklich. Sie hat Dich um Deiner selbst willen geliebt und es freut mich, dass Du das Gefühl einfach “ man selbst sein zu können “ vor seiner Freundin erleben durftest.

 

Jenny war in der letzten Zeit so oft bei uns und hat von Euch erzählt, Sie hatte dabei sofort ein Leuchten in den Augen, ich glaube wir hätten Ihr noch tagelang zuhören können.

 

Ich hatte dabei immer das Gefühl, dass wir Dich gar nicht kannten, Du warst so erwachsen, hast so liebevolle Dinge getan und geschrieben. Du warst ein Mensch mit zwei Seiten und ich bin so froh, endlich zu wissen wie die andere Seite ausgesehen hat. Ich hätte Euch beiden so sehr mehr Zeit miteinander gewünscht. Ich kann Dir nur versprechen, dass ich alles dafür tun werde das Sie wieder lacht, so wie Du es gerne gesehen hast.Genauso werde ich versuchen Mama und Papa zu helfen und alles dafür tun, dass Sie Ihren Lebensmut wieder spüren und weiter machen können.

 

Wir werden einen Weg finden, egal wie lange es dauert, genauso wie Du es getan hast.

 

Ich für mich werde versuchen so gut es geht nach vorne zu schauen und hoffe, dass die Zeit es mir irgendwann erträglich macht, ich habe diese Woche so intensiv über der einen Frage “ dem Warum “ gesessen, und ich weiß, dass ich keine Antwort darauf finden werde, aber ich will, das Du weißt, dass Du für mich keine Schuld hast, ich weiß, dass Du alles versucht hast es zu verhindern.

 

Du wirst für mich immer mein kleiner Lieblingsbruder bleiben, egal wie viel Auseinandersetzungen wir hatten, ich habe Dich immer geliebt und egal was schon alles vorgefallen ist, ich habe immer hinter Dir gestanden und Dich verteidigt.

 

Das werde ich auch für immer tun.

 

Ich hoffe, dass ich Dir mit meinen Gedanken eine kleine Freude gemacht habe und sei mir nicht böse, dass ich nicht mehr private Erinnerungen erzählt habe, aber ich konnte Sie heute noch nicht preisgeben.

 

Für den Abschluss dieser Zeilen finde ich keine Worte, deshalb wirst Du jetzt noch einmal das Lied hören, dass Dir und Jenny sehr viel bedeutet hat und von dem Du gesagt hast, dass es Dir soviel Kraft gegeben hat.

 

Ich hoffe, es gibt Dir und uns jetzt die nötige Kraft gibt, um den letzten und schwierigsten Weg gemeinsam zu gehen.

 

Danke, dass Du mir jetzt zugehört hast,

in Liebe Deine Schwester

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